Geschichte der Eisenbahn in Kassel |
Situation in Deutschland und Kurhessen
Im Jahr 1815 schlossen sich die deutschen Kleinstaaten zum "Deutschen Bund" zusammen, "zur Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten". Das Kurfürstentum Hessen-Kassel liegt "mittendrin", hat Grenzen zu den Königreichen Bayern, Hannover und Preussen, zu den thüringischen Staaten sowie zum Großherzogtum Hessen. Die Planung und der Bau von überregionalen Strecken unterlag zwangsläufig den guten oder schlechten Beziehungen dieser Kleinstaaten untereinander. Erst durch den Norddeutschen Bund 1866 werden derartige Berücksichtigungen überflüssig, was sich auch sofort auf die Umsetzung von Streckenplanungen auswirkt.
Entwicklung der Strecken
Der Ursprung des Streckennetztes in Nordhessen liegt in der Halle-Kassel-Lippstädter Eisenbahn und der Main-Weser-Eisenbahn. Während letztere als Staatsbahn geplant und gebaut wurde, zeichnet für die "Friedrich Wilhelms- Nordbahn" eine gleichnamige Aktiengesellschaft verantwortlich. Im Westen wird die "Bergisch-Märkische Bahn" bei Haueda erreicht, im Osten ist Hönebach der Grenzbahnhof zum Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha. Die Bahnhöfe Guntershausen und Kassel werden von der "Friedrich Wilhelms-Nordbahn" und der "Main-Weser-Bahn" gemeinsam benutzt.
Fast zeitgleich trieb das Königreich Hannover ein Bahnprojekt von überregionaler Bedeutung voran- von Bremen über Hannover sollten die südlichen Landesteile erreicht werden. Naheliegend war eine Verknüpfung mit den entstehenden Strecken in Kassel.
Auch die Magdeburg-Cöthen-Halle-Leipziger-Eisenbahngesellschaft baute ebenfalls Richtung Kurhessen. Das Ziel Kassel sollte allerdings unter Umgehung Hannovers erreicht werden. das bedeutete, daß ein sehr beschwerlicher Weg über Großalmerode und Helsa hätte genommen werden müssen. Seit 1866 gehörten nun allerdings Hannover und Kurhessen zu Preussen, der Grund für eine Umgehung entfiel. Folgerichtig baute die Bahngesellschaft nun im Werratal, um in Hannoversch Münden die Südbahn zu erreichen.
Mit diesem Lückenschluß war der Bau von Fernstrecken abgeschlossen. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden die Nebenbahnen nach Waldkappel (1880) und Volkmarsen (1897). Mit zwei Privatbahnen (Naumburger Kleinbahn 1903, Söhrebahn 1912) wurde der ländliche Raum erschlossen.
Erweiterungen bei gestiegenem Verkehr
Niedergang nach dem Krieg
Neue Verbindungen nah und fern
Unter dem Druck der Konkurrenten PKW und Flugzeug wollte auch die Deutsche Bundesbahn die Fahrzeiten verkürzen. Neben Fahrzeugen für den Schnellverkehr (103, 403) wurden auch Neubaustrecken geplant. Die NBS Hannover-Würzburg gestattet das Fahren mit hohen Geschwindigkeiten auf großzügig angelegter Trasse, der Durchgangsbahnhof Kassel-Wilhelmshöhe erspart den Reisezügen das aufwändige Kopfmachen. In Nord-Süd-Richtung wurde ein Angebot aufgebaut, was fast keine Wünsche mehr offenlässt.
Weniger gut kommt die Ost-West-Richtung, auch "Mitte-Deutschland-Verbindung" genannt, weg. Der Ausbau für höhere Geschwindigkeiten hat leider in Paderborn Halt gemacht, sodaß in östlicher Richtung kein attraktives Angebot besteht. Die zweistündig verkehrenden IC/ICE stehen zur Diskussion, sie sollen möglicherweise durch Züge des Regionalverkehrs ersetzt werden.
Erfreulich hat sich dagegen der Nahverkehr entwickelt. Zwar ist die Einstellung der beiden "Privaten" zu beklagen, dafür wurden aber andere Strecken (Baunatal, Hessisch Lichtenau) für den Personenverkehr reaktiviert und bestehende Linien (Warburg/ Hümme, Wolfhagen, Melsungen, Treysa) auf moderne RegioTram umgestellt (Wolfhagen seit 19. 8. 2007).
Zeittafel
1833
Friedrich List entwirft ein Eisenbahnnetz für Deutschland -
zwei Jahre, bevor überhaupt die erste Bahn in Deutschland
verkehrt. Der zentrale Knoten liegt bei Bad Hersfeld. In der
Realität wird später Bebra ein solcher Knoten, keine
30 km von Lists Planung entfernt.
1848
Der erste Zug verläßt Cassel (damals noch mit "C" !)
in Richtung Carlshafen (heute Bad Karlshafen).
1848
Gerstungen- Bebra- Cassel wird in Betrieb genommen - die "Friedrich Wilhelms-
Nordbahn" ist vollendet.
1852
Die Strecke über Marburg / Giessen nach Frankfurt, die "Main- Weser- Bahn",
wird durchgehend befahren.
1853
Von Hamm über Paderborn und Warburg wird Hümme
erreicht.
1856
Der Hauptbahnhof
ist fertig. Obwohl er von drei Bahngesellschaften angefahren wird, baut man nur ein Empfangsgebäude. Andernorts werden auch 50 Jahre später noch die Bahnhöfe streng nach Betreibergesellschaft geteilt (z.B. Leipzig!).
1856
Die Hannoversche
Südbahn schließt die Lücke
zwischen Hann- Münden und Cassel. Nun ist ein durchgehender
Nord- Süd- Verkehr möglich.
1872
Die Halle-
Casseler Bahn erreicht Hann.- Münden.
1875-1880
In diese Zeit fällt vermutlich die Tieferlegung der Strecke Hauptbahnhof- Wilhelmshöhe.
Die betrieblich schwierige Kreuzung
mit der Wilhelmshöher Allee wird durch eine Brücke ersetzt.
1880
Die Waldkappler
Strecke ist fertiggestellt. Mit ihr entsteht eine
Querverbindung zur Berlin-
Coblenzer Eisenbahn.
1881
Der Rangierbahnhof
zwischen Obervellmar, Niedervellmar und Kirchditmold wird gebaut.
1897
Cassel-Volkmarsen
wird eröffnet. Planungen hatten zunächst vorgesehen,
diese Strecke zweigleisig bis in das Ruhrgebiet zu führen. Die
Bergisch-Märkische Bahn gab allerdings einer Hauptbahn
über Bestwig - Warburg den Vorzug.
1899-1903
Hauptbahnhof wird erstmals erweitert (von einem auf drei Bahnsteige).
1903
Die Kleinbahn nach Naumburg
erschließt das Hinterland.
1908
Der Hauptbahnhof wird erneut erweitert (auf 6 Bahnsteige). Noch heute
sind die unterschiedlichen Bauformen der Bahnsteigdächer
erkennbar.
Der Güterbahnhof Oberstadt wird deshalb nach Norden
verschoben. Die gewaltigen Stützmauern an der
Schillerstraße sind noch heute sichtbar, wenn auch teilweise
erneuert.
1905 - 1910
Ein neues Ausbesserungswerk westlich des Rangierbahnhofes wird
errichtet, nachdem die alten Werkstätten auf der
Südseite des Hauptbahnhofes zu klein geworden sind.
1912
Die Kleinbahn in die
Söhre nimmt ihren Betrieb auf.
1913
Die nördlichen Bahnsteiggleise des Hbf. werden mit zwei
Verbindungsbahnen angeschlossen: aus Westen benutzt man eine
Überführung hinter Harleshausen, aus Süden
kommend, wird man mittels eines Tunnels unter dem Gleisvorfeld hindurch
geleitet. Damit wird dem zunehmenden Fernverkehr Rechnung getragen: die
Schnellzüge können nun kreuzungsfrei ein- und
ausfahren.
1926
Aus Cassel wird Kassel
1943
Zerstörung - große Teile der Bahnanlagen, nicht nur
in Kassel, liegen in Schutt und Asche.
1955
Das neue Gebäude des Hauptbahnhofes wird vollendet - in diesem
Jahr werden viele Gäste zur Bundesgartenschau und zur ersten
documenta erwartet.
25. September 1964
Aufnahme des elektrischen Betriebes auf der Strecke Kassel-
Eichenberg.
23. September 1966
Ab diesem Tag wird Kassel - Bebra elektrisch befahren.
20. März 1967
Aufnahme des elektrischen Betriebes auf der Main- Weser- Bahn
1970
Aufnahme des elektrischen Betriebes auf der Strecke Kassel- Warburg-
Altenbeken
1973
Am 2. Juni 1973 zieht 050 912 den Nahverkehrszug 2941 nach Eschwege.
Mit dieser Fahrt endet der Dampfbetrieb im Bereich der Bundesbahndirektion Kassel.
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1977
Die Kassel- Naumburger
Eisenbahn stellt den Personenverkehr ein. Der
Güterverkehr zum Volkswagenwerk Baunatal bleibt aber als
wichtigstest Standbein erhalten.
1991
Die Neubaustrecke
Hannover- Würzburg schließt Kassel wieder
an die "große weite Welt" an.
2001
Strassenbahn und Eisenbahn wachsen zusammen. In Richtung Helsa und
Großenritte benutzt die Straßenbahn
Eisenbahngleise. Von Warburg/Westf. fährt die RegioTram
zunächst in den Hauptbahnhof. Die Weiterführung in
bzw. durch die Innenstadt ist beschlossen.
2005
Die neuen Regiotrams von Alstom treffen ein. Die Bauarbeiten
für den Regiotram- Tunnel beginnen im August.
2006
Das Nahverkehrsunternehmen CANTUS übernimmt die Nahverkehrsleistungen zwischen Göttingen, Kassel, Fulda und Eisenach.
2007
Der Hauptbahnhof ist untertunnelt. Die Regiotrams aus Wolfhagen fahren in die Innenstadt.
Literatur zum Thema:
Volker Credé, Kassel, im August 2007